Den Vögeln und Delfinen hinterher: Der unbekannte Nordwesten Floridas

Auf der einen Seite von Shell Island wartet ein fast einsamer Strand. Foto: Jessica Blank

Florida – das ist nicht nur Miami, Key West oder Disneyland. Der Nordwesten des Sunshine State ist zwar weniger bekannt, besticht dafür aber mit feinen Puderzucker-Stränden und einer vielfältigen Tierwelt. Eine Reise mit den Vögeln und Delfinen von Panama City Beach über ­Destin nach Pensacola.

Fünf Pelikane fliegen in einer V-Formation über den Strand von Shell Island. Sie scheinen aneinander zu kleben und weichen keinen Millimeter von ihrem Nachbarn ab. Genau wie die Blue Angels. Die berühmte Fliegerstaffel der US Navi, die 160 Kilometer weiter westlich in Pensacola stationiert ist. Der Blick in den Himmel wird vom Geräusch unter den Füßen abgelenkt. Sind hier irgendwo Robben in der Nähe? Nein, der blendend weiße Sand ist einfach so fein, dass er bei jedem Schritt laut quietscht wie eine Horde Seehunde. „Sand squeek“ nennen es die Einheimischen. Für sie das beste Geräusch der Welt.

 

Ein Pontonboot bringt die Badegäste von Panama City Beach zur vorgelagerten Shell Island. Delfine schwimmen um das Schiff herum und versuchen, die Passagiere zu beeindrucken. Was ihnen nicht wirklich schwerfällt. An einem einsamen Strandabschnitt steht ein Angler mit seinem Kajak und beobachtet die Szenerie. Angekommen an der Insel ist es gar nicht mehr so einsam. In der Bucht ankert ein Partyboot neben dem anderen. Dazwischen tummeln sich die Menschen und baden zu lauter Musik. Ein bisschen Ballermann-Atmosphäre hat das schon. Kaum zu glauben, dass nur einen kurzen Fußmarsch entfernt – für die Amerikaner ist es eine Wanderung – die Welt ganz anders aussieht. Auf der Seite des Golfs von Mexiko wartet der nahezu menschenleere, quietschende Puderzucker-Strand mit türkisblauem Wasser. So ruhig, dass sich sogar ein Delfin bis kurz vor die Küste traut. Er zieht unbeeindruckt seine Bahnen, obwohl sich ein Schwimmer bis auf zwei Meter nähert. Für den Menschen hingegen ist es Faszination pur, mit einem der Meeressäuger auf Augenhöhe das Wasser zu teilen.

Ganz anders als auf Shell Island – aber nicht weniger imposant – ist die Brackwasserfläche im Hinterland von Panama City Beach, kurz PCB. Übrigens: Nicht Panama City, Panama. Sondern Florida. In dem braunen Gemisch aus Süß- und Salzwasser tummeln sich keine Delfine. Dafür Alligatoren. Bei einer Airboat-Tour kann man sich auf die Suche nach ihnen machen. Suchen ist der richtige Begriff. Denn eine Garantie, eines der Reptilien zu entdecken, gibt es nicht.

Der große Propeller am Heck des Bootes faucht beim Start laut auf. Dann dreht er sich wie bei einem Flugzeug, das gleich abhebt. Ungefähr so ist auch der Geräuschpegel. Ohne Kopfhörer geht da gar nichts. Und selbst dann klingeln einem noch die Ohren. Haarscharf steuert Roger das Airboat an den Uferkanten der Brackwasserbucht entlang, mäht dabei um ein Haar das Schilf ab. Die Fahrt scheint unwirklich. Wie eine Achterbahn im Simulator. Wären da nicht der Fahrtwind im Gesicht und der salzige Geschmack des Wassers auf den Lippen. An einer Stelle bremst der Bootsführer  und nimmt die Kopfhörer ab. „Der Fischadler nistet seit 13 Jahren auf diesem Strommast“, erklärt er mit einem Südstaatenakzent, der sich anhört, als hätte er eine ganze Packung Kaugummi im Mund. „Normalerweise sind es drei Küken und das älteste kümmert sich um alle.“ Die Passagiere können sogar das leise Piepen oben im Nest hören. Bevor Roger, der über den Gästen thront, den ohrenbetäubenden Propeller wieder anwirft.

Um etwas Schwung in die Fahrt zu bringen, lässt er das Airboat auch mal um die eigene Achse kreisen oder Haken schlagen. Doch als er in ein Waldgebiet fährt, drosselt er das Tempo erneut. Das Boot gleitet nun durch das braune Wasser, in dem sich die Bäume spiegeln. Der Geruch von Pinien liegt in der Luft. Roger hält Ausschau nach Alligatoren. „Hier ist normalerweise ein Weibchen“, sagt er. „Wir wissen das, weil sie in den letzten Jahren über 40 Babys hatte.“ Alligatoren legen in der Regel 30 bis 40 Eier, bringen aber nur drei Junge durch. „Alligatoren sind keine aggressiven Tiere, nur wenn sie Junge haben oder gestört werden“, erklärt Roger. Und plötzlich sieht jedes Treibholz aus wie ein Alligator. Bewegt es sich? Es könnte ja ein Reptil sein, das nur mit dem Kopf durch das Wasser spitzt. „Vielleicht liegt sie auf der Sandbank dort“, ruft Roger. Aber nein. Nur ein Schwanzabdruck zeigt, dass das Tier sich vor Kurzem dort gesonnt hat. Am Schluss bleibt es leider beim imaginären Alligator aus Holz. Mehr Glück haben wir am Gator Trail im St. Andrews State Park. Dort liegt einer ruhig im Wasser ganz nahe am Ufer und beobachtet die Menschen. Und sieht tatsächlich aus wie ein Stück Treibholz.

Fischer- und Partydorf

Eine Autostunde weiter westlich holt ein Angler acht Fische aus einer Luke in seinem Boot und stopft sie in einen Eimer. Er hat im Hafen von Destin angelegt. Destin, das sich selbst als das glücklichste Fischerdorf der Welt bezeichnet. Vom eigentlichen Dorf ist hier mitten in der künstlichen Party- und Spaßmeile von Harbor Walk Village, das an einen Freizeitpark erinnert, nichts mehr zu erahnen. Dafür hat der Mann jede Menge Publikum, als er den Fang an einem Brett aufhängt. Mit einem widerlichen Knacken drückt er die Fischaugen in die Nägel. Zwei ältere Herren stellen sich neben die Drückerfische, Roten Schnapper und Bernsteinmakrelen und lassen sich stolz fotografieren. Wie so viele Urlauber in Destin haben sie eines der 300 Fischerboote gechartert und sind in den frühen Morgenstunden aufgebrochen, um nun ihre Ausbeute zu präsentieren.

„Verschiedene Umstände haben dazu geführt, dass Destin ein Ziel für Angler geworden ist“, erklärt Kathy Marler Blue. Sie ist Museumsdirektorin im Destin History and Fishing Museum – und eine Nachfahrin der ersten Siedler. Ein Vorteil von Destin ist die Lage auf einer Halbinsel. „Wir haben den besten Zugang zum Tiefsee-Fischen im Pan Handle. Das macht den Unterschied“, sagt sie. Als Pan Handle, also Pfannengriff, wird der nordwestliche Teil Floridas aufgrund seiner Form oft bezeichnet. Außerdem bringt der Golfstrom, der durch den Hafen fließt, eine Vielfalt an Fischen, etwa 100 verschiedene Arten. Drei Sorten von Fischerei gibt es in Destin: Charterboote, kommerzielles Fischen und private Boote. Einige Restaurants wie das „Harbor Docks“ besitzen ihre eigenen Boote und liefern den Fisch direkt an. Frischer geht’s wirklich nicht.

So wurde der Hafen dank der Fischerei, die dort Anfang des 19. Jahrhunderts begann, zum größten Industriezweig von Destin. „Wir fischen hier, weil nichts wächst in dem Sand“, erklärt Parker Destin. Wie der Name schon verrät, ist auch er ein Nachkomme der allerersten Siedler. Neben seinem Restaurant „Dewey Destin’s“, dessen Tische mit bunten Schirmen auf einem Steg stehen, fängt er Blaukrabben. Für den Eigenbedarf. Vorsichtig nimmt er ein Tier aus dem Fangkorb. „Ich werde die meisten wieder freilassen, weil Brutsaison ist und viele Weibchen dabei sind“, sagt er resigniert und wirft die Krabbe direkt wieder ins smaragdgrüne Meer. Noch so eine Besonderheit von Destin, das Teil der Emerald Coast – Smaragdküste – ist. „Der Sand ist einzigartig in der Welt“, erklärt Kathy Marler Blue. Er besteht zu 97 Prozent aus Quarz und ist total kühl beim Anfassen. Sprich: Man verbrennt sich nicht so schnell die Füße. Die Sonnenstrahlen, die durchs Wasser fallen, werden vom Quarz reflektiert. Und so entsteht die grüne Farbe. In diesem klaren Meer lassen sich Fische nicht nur gut fangen, sondern auch beobachten.

Blau-gelbe Damselfische leuchten zwischen den mit Algen bewachsenen Steinen hervor. Eine Qualle wabert vorbei. Der Schnorchler weicht ängstlich zur Seite. Ist aber fasziniert von den schillernden Gefäßen der Rippenqualle, die im Licht alle Farben des Regenbogens zeigen. Gefährlich ist diese Sorte nicht. Man kann sie sogar anfassen und die wackelpuddingartige Substanz spüren. Taucher mit gelben und blauen Schläuchen ziehen vorbei. Ganz ohne Sauerstoffflaschen, aber mit Atemgerät. Die schweren Flaschen haben sie oben gelassen, in einem Gummiboot. Bis zu vier Meter tief können sie so abtauchen und unten noch mehr Fische oder Blaukrabben beobachten. „Snuba-Diving ist ein leichter Einstieg für Leute, die noch nie getaucht sind“, sagt Challis, die die Gruppe anführt. Dafür ist kein Tauchschein erforderlich. Eine kurze Einführung reicht aus, um die Welt der Meeresbewohner genauer betrachten zu können. Wer Glück hat, sieht dabei schon Delfine. Ansonsten ist eine Delfin-Tour am Abend ein Garant dafür.

„Delfin auf zwei Uhr“, ruft der Kapitän. Es folgt: Kreischen und lautes Klatschen der Passagiere. Doch die Meeressäuger lassen sich von dem Lärm nicht verjagen. Im Gegenteil. Je mehr die Leute jauchzen, desto mehr von ihnen schwimmen an allen Seiten des Bootes. Die Delfine kommen in kleinen Gruppen und spielen in der untergehenden Sonne. Einer springt so hoch, dass er fast ein Traumbild im Sonnenuntergang abgibt. Ein anderer Einzelgänger schwimmt am Schiffsbug und lässt sich jagen. Genießt es aber sichtlich, um sich später abtreiben zu lassen und auf den Wellen des Schiffes zu surfen. „100 Delfine sind ständige Einwohner hier. Sie bleiben sogar über den Winter, weil das Wasser nie kälter als 15 Grad wird“, erklärt der Kapitän. Und sie wandern. Von Panama City Beach über Destin nach Pensacola.

Von Stille bis Lärm

Im Sturzflug zischt ein Vogel hinab und taucht in die Lagune ein. „Das ist ein Fischadler. Sie halten den Fisch aerodynamisch, wenn sie fliegen, damit der Flug nicht behindert wird“, erklärt Emily Price. „Andere Vögel, zum Beispiel Steinadler, halten den Fisch irgendwie.“ Sie steht auf dem Beobachtungsturm im Big Lagoon State Park, in dem sie Rangerin ist. Zur ihrer Rechten befindet sich der Perdido Key, auf der anderen Seite Pensacola. Dazwischen liegt das Naturschutzgebiet, das durch eine Sandbank vom Golf von Mexiko getrennt ist. Der Beobachtungsturm ist ihr Highlight. „Es ist ein Traum, hier zu sein und den Leuten etwas beizubringen“, erklärt die kleine Frau, die trotz der Hitze ihre grüne Uniform samt langer Hose trägt. Oft kommt sie mit Schulklassen hoch und zeigt ihnen die dunklen Stellen im Wasser, wo Garnelen, Fische und Seepferdchen leben. Oder wo die Waschbären ihre Hände und ihren Fang waschen. „Das ist mein Lieblingsplatz – es ist einfach wunderschön“, erzählt Emily Price. „Du kannst einen furchtbaren Tag haben, aber wenn du hier oben bist, kann es gar nicht mehr so schlimm sein.“

Der Turm schwankt leicht im Wind, und eine riesige Libelle gleitet über das Wasser. „Die Libellen kümmern sich um die Mücken“, erklärt die Rangerin. Die kleinen Bäume am Rand der Lagune sind schon 100 Jahre alt, aber wachsen jedes Jahr nur ein bisschen. „Viele Pflanzen brauchen lange zum Wachsen wegen des Salzes.“ Der Big Lagoon State Park ist mit seinen 700 Hektar Teil des „Great Florida Birding Trail“, der sich durch den ganzen Sunshine State zieht. So nisten dort sogar Seeadler, die man mit Hilfe eines Fernglases gut beobachten kann. Auch die Meeresbewohner werden von den Rangern besonders umsorgt. Eine Schildkröten-Patrouille kontrolliert die Nester und macht die Bevölkerung darauf aufmerksam, dass sie nichts über Nacht am Strand liegenlassen soll, damit die Tiere sich aus dem Wasser trauen. Viel Arbeit für Emily Price und ihre sieben Kollegen, die sich noch um den Perdido Key und den Tarkiln Bayou Preserve State Park kümmern. Während sie den Steg entlangläuft, fliegen fünf braune Pelikane in einer Reihe ein, tauchen kurz ins Wasser und heben wieder ab.

Genauso sieht es aus, wenn die Blue Angels trainieren. Nur der Geräuschpegel ist wesentlich lauter. Die Flugzeuge der US Navy dürfen zwar die Schallmauer nicht durchbrechen, machen aber einen Heidenlärm. Punkt 12 Uhr startet das Training. Und die Stille auf dem Katamaran Aurora ist passé, während das Boot an der 500 Hektar großen Armybase vorbeifährt, die einen ganzen Landstrich in Pensacola einnimmt. Mit ihren Formationen löst die zweitälteste Kunstfliegerstaffel der Welt selbst bei den Einheimischen noch Begeisterung aus. Obwohl die das Spektakel zweimal wöchentlich erleben können. Die Kampfjets üben sämtliche Kunststückchen und bilden einen starken Kontrast zu den strahlend weißen Stränden und den Delfinen, die um den Katamaran herumtollen. Bei der V-Formation kleben die blau-gelben Flugzeuge fast aneinander. Wie die Pelikane.

ARCD-Reiseservice

Anreise: Ab Frankfurt oder München, z. B. mit Delta Airlines oder Lufthansa, über Atlanta nach ­Pensacola oder Panama City Beach, weiter mit dem Mietwagen.
Übernachtung: Panama City Beach (PCB): Sheraton Bay Point Resort, www.sheratonbaypoint.com; Destin: The Emerald Grande, www.emeraldgrande.com; Pensacola: Hilton Pensacola Beach Gulf
Essen und Trinken: PCB: Andy’s Flour Power, Frühstück mit großer Kuchenauswahl, www.andysflour­power.com; The Grand Marlin, ­Seafood direkt am Hafen, www.thegrandmarlin.com; Destin: Harbor Docks, frischer Fisch direkt vom Boot, www.harbordocks.com; Dewey Destin’s, Mittagessen am Steg, www.destinseafood.com; ­Pensacola: The Fish House, www.fishhousepensacola.com
Aktivitäten: PCB: Wild Thang Airboat Tour, www.wildairboat.com; Pontoon Boat nach Shell Island, www.shellislandsnorkeling.com; Destin: Snuba-Diving und Schnorcheln, www.destinsnorkel.com; Southern Star Dolphin Cruise, www.southernstardolphincruise.com; Pensacola: Big Lagoon State
Park, www.floridastateparks.org
ARCD-Buchungsservice: Das ARCD Reisebüro ist Ihnen gerne bei der Planung und Buchung Ihrer Florida-Reise behilflich unter Tel. 09841/
409150 oder info@arcd-reisen.de.
Auskünfte: Visit Florida, www.visitflorida.com

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Das Team des ARCD-Reisebüros freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme (Mo-Fr: 9:00 bis 18:00 Uhr, Sa. nach Terminvereinbarung)

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