Rekorde, Visionen und viel Flair: Zu Besuch in der Münsterstadt Ulm

Vom Ulmer Münster fällt der Blick auf die Altstadt, die Donau und Neu-Ulm. Foto: Simone Eber

Nicht nur Metropolen sind eine Reise wert. Auch kleinere Städte haben ihren Charme, sind dabei günstiger und ­weniger überlaufen. So wie Ulm, das mit dem höchsten Kirchturm der Welt aufwartet. Und mit weiteren Besonderheiten, die die Stadt an der Donau sehenswert machen.

Rekordverdächtig: das Ulmer Münster

Hier zieht es alle hin – auch Gäste, die nur eine Stippvisite in Ulm einlegen. Kein Wunder, denn das Münster ist in mehrfacher Hinsicht rekordverdächtig. Mit Bürgergeld gebaut, ist es die größte evangelische Kirche Deutschlands, vor allem aber ragt über seinem Schiff der mit 161,53 Metern höchste Kirchturm der Welt in den Himmel. Nur die Sagrada Familia in Barcelona wird höher – wenn sie denn irgendwann fertiggestellt wird. Auch dem Ulmer Münster ist Stagnation nicht unbekannt: Nach dem Baubeginn im Jahr 1377 und der Vollendung des Kirchenschiffs ruhten die Arbeiten an dem Gotteshaus für Jahrhunderte, bevor 1890 der Turm hochgezogen wurde. Doch auch danach blieb das Münster ein lebendes Monument – bis heute: Erst 2018 wurde ein neues Glasfenster eingeweiht, ein anderes in Gedenken an den Holocaust mit jüdischen Motiven gestaltet. Der Kran, der am Gebäude hochragt, gehört fast schon zur Kulisse, und in der Bauhütte neben dem Münster warten Heiligenfiguren auf ihre Restaurierung. Beim Rundgang durch die Kirche ist es keine Seltenheit, behelmten Bauarbeitern zu begegnen, die die Öffnungen im Dachgestühl zum Transport von renovierungsbedürftigem Inventar nutzen.

Natürlich ist es Pflicht für alle fitten Besucher, die 768 Stufen bis zum höchsten Aussichtspunkt des Turmes hinaufzusteigen! Bis zur 560. Stufe und der ersten Plattform geht das noch relativ komfortabel und ohne Gegenverkehr, dann teilen sich Aufsteiger und Absteiger die schmale Wendeltreppe. Schon der Weg wird mit interessanten Einblicken belohnt: auf das Dachgestühl, die Glocken oder das Turmwärter-Büro mit seiner Bildergalerie von ähnlich berühmten Kirchen. Ganz oben auf der winzigen vergitterten Aussichtsplattform liegt einem dann die ganze Stadt zu Füßen. Neu-Ulm und die Donau, das Fischerviertel, die Stadtmauer und die neue Mitte, der Grüngürtel und die Befestigungsanlagen aus dem 19. Jahrhundert. Wow! Wer nach dem Abstieg das Bedürfnis hat, sich erst mal zu erden: Gut geht das im Eiscafé VOI direkt am Münsterplatz.

 

 

Baugerüste und Kräne gehören beim Ulmer Münster zur Kulisse.

Zukunftsträchtig: die neue Mitte

Der riesige Münsterplatz wirkt heute fast beängstigend leer, wenn kein Markt und keine Veranstaltung ihn belegt. Eine Zeit lang wollten ihn die Stadtoberen noch leerer haben und ließen 1878 das Kloster neben dem Münster abreißen. Der geplante Kirchturm sollte so voll zur Geltung kommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1980er-Jahre dann der Tiefpunkt: Eine riesige Parkfläche und eine barackenartige Touristinfo verschandelten den Platz. Das Ziel war klar: Ein Umbau musste her, die Leere sollte beendet werden.

Nach intensiven Diskussionen wurde von 1991 bis 1993 das Stadthaus nach dem Entwurf des New Yorker Stararchitekten Richard Meier auf dem Münsterplatz errichtet. Der dreistöckige weiß verputzte Pavillon versteht sich als offenes Haus für Bürger und Gäste. Sie finden hier die Touristinfo, können kostenlose Ausstellungen besuchen oder im Café mit Außenbereich auf dem Platz einkehren. Auf Aussichtsterrassen und -brücken oder beim Konzertbesuch im Stadthaussaal mit seiner gläsernen Front wird der Blick auf das Münster gelenkt.

Ein gelungener Dialog zwischen Alt und Neu, der jedoch lange umstritten war. Heute fügt sich das Stadthaus in die architektonische Umgestaltung des gesamten Bereichs zwischen Ulmer Rathaus und Münsterplatz ein, bei dem eine vierspurige Straße durch zahlreiche Neubauten ersetzt wurde. Zu ihnen gehört auch die Zentralbibliothek von 2004, die direkt hinter dem Rathaus aufragt. Mit ihrem Glaspyramiden-Dach und dem Vorplatz im Stil eines antiken Theaters setzt sie einen Kontrastpunkt zu dem farbenprächtig bemalten Gebäude aus der Frührenaissance.

Sogar im unterirdischen Parkhaus am Münster wurden Geschichte und Gegenwart konsequent kombiniert. Im zweiten Untergeschoss sind die Fundamente eines Patrizierhauses aus der Stauferzeit zu besichtigen, die beim Bau zutage kamen; in einer Glasvitrine erinnern verschmortes Spielzeug und Schmuckstücke an den Bombenangriff auf Ulm vom Dezember 1944. Zugleich ist das Parkhaus ein Beispiel für Modernität und Sicherheit: Es gibt einen zentralen Pförtnerplatz, kostenlose Toiletten und einen gut beleuchteten Mittelgang, der wie ein roter Teppich zu den großzügigen diagonalen Parkplätzen führt. In den sozialen Medien wird es dafür explizit gelobt.

 

 

In der neuen Mitte treffen historische Gebäude wie das Rathaus (links) auf moderne Architektur – ein umstrittener Ansatz.

Schwer idyllisch: das Fischerviertel

Im ehemaligen Viertel der Fischer, Müller und Gerber liegt das Klein-Venedig von Ulm. In den teils erhaltenen, teils fachkundig restaurierten Fachwerkhäusern haben sich Cafés, Restaurants und Ateliers angesiedelt. Aber auch als Wohnraum oder für Praxen ist die Top-Lage an der Blau mit ihren verträumten Weiden, den kleinen Brücken und Kanälen sehr begehrt. Mittendrin liegt das Schiefe Haus (www.hotelschiefeshausulm.de), das dank seiner enormen Abweichung vom Lotmaß im Guinness-Buch der Rekorde steht. Wer eine Nacht in Schieflage ausprobieren möchte, kann hier ein Zimmer buchen. Fisch aus der Blau kommt in der „Forelle“ auf den Tisch (www.ulmer-forelle.de). Der Koch holt die Forellen und Saiblinge direkt aus den Reusen unter dem Traditionslokal – frischer geht’s nicht. Originell ist auch die Kellerbar „Zur Stiege“ (www.stiege-ulm.de), die aus einer Toilettenanlage hervorgegangen ist. Von der Stadtmauer geht es auf Höhe des Rosengartens zum Eingang der Atelier-Bar. Gäste setzen sich gern mit ihrem Drink in der Hand ans Donau-Ufer. Die Lebensader der Stadt ist Treffpunkt und Veranstaltungsort – etwa des Donau-Ufer-Festes, bei dem alle zwei Jahre die Kultur der Donau-Anrainer-Länder im Mittelpunkt steht.

 

Von den begrünten Fachwerkhäusern und kleinen Kanälen im Fischerviertel war A&R-Redakteurin Simone Eber sehr angetan.

Äußerst wehrhaft: die Bundesfestung

Beim Blick vom Münster ist gut zu erkennen, dass Ulm von einem weitläufigen Mauerzug umgeben ist, dem in regelmäßigen Abständen Forts vorgelagert sind. Erbaut von 1842 bis 1859, war die Bundesfestung die zentrale süddeutsche Verteidigungsanlage des Deutschen Bundes, die infolge der napoleonischen Kriege errichtet wurde. Die gefürchteten Angriffe traten nie ein – doch die Ulmer profitierten trotzdem von dem Verteidigungswall. Überall dort, wo ein Glacis, also ein leichter Hang vor dem Graben, die Attacke besonders erschweren sollte, zieht sich heute nämlich ein Grüngürtel um die Stadt. Der lässt sich sogar erwandern: auf dem gut zwölf Kilometer langen Festungsweg, der die erhaltenen Forts miteinander verbindet.

Exemplarisch für sie steht die Wilhelmsburg. Das größte der Bollwerke erlebte im Lauf der Jahre viele Umfunktionierungen – vom Zwangsarbeiterlager im Zweiten Weltkrieg über die Zuflucht für Ausgebombte und Flüchtlinge bis hin zur Bundeswehrkaserne. Heute wartet ein Förderverein mit rund 300 Mitgliedern die riesige Anlage, dokumentiert ihre Geschichte, bietet Führungen an und hält Kontakt zu ehemaligen Bewohnern aus der Nachkriegszeit. Einer von ihnen hat in der Wilhelmsburg ein Zimmer „wie damals“ eingerichtet. Als Eigentümerin hat die Stadt Ulm einen Trakt der Anlage saniert und Proberäume für das Theater daraus gemacht. Im Sommer führen die Schauspieler unter großem Anklang Stücke in dem weitläufigen Innenhof mit seiner historischen Kulisse auf. So findet auch hier, auf der einstigen Bundesfestung, ein Dialog zwischen Alt und Neu statt.

An den Mauern der Bundes­festung zieht sich heute ein Grüngürtel entlang.

ARCD-Reiseservice

Anreise: Ulm ist an die Autobahnen A7 und A8 angeschlossen und verfügt über einen ICE-Bahnhof.
Münster: www.ulmer-muenster.de
Wilhelmsburg: www.festung-ulm.de
Auskünfte: Tourist-Info Ulm, Tel. 0731/1612830, www.tourismus.ulm.de

Fotos: Simone Eber

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